Auf die Gipfel des Großen Wilden

Der 3-gipflige Große Wilde gehört wohl zu den markantesten Berggestalten des Allgäus. Während seine Gipfel im Westen in eindrucksvollen, senkrechten Wänden vor der Kulisse der Höfats abbrechen, erscheint er vom Osten und Süden aus gesehen als eine große und auffallend hell gefärbten Hochfläche aus der sich Süd- und Mittelgipfelgipfel nur mäßig steil erheben. Über diese sehr einsame, nur von Gamswild belebte Hochfläche führt auch unser Anstieg. Wie sich unschwer erahnen lässt, bietet diese Tour ein Landschafts- und Naturerlebnis ganz besonderer Art.

Der Anstieg zum Süd- und Mittelgipfel bietet keine erwähnenswerten klettertechnischen Anforderungen doch benötigen Sie für eine gefahrlose Durchführung dieser Tour nicht nur eine hervorragende Kondition, sondern auch Übung im weglosen Gehen und einen ausgeprägten Orientierungssinn. Unterschätzen Sie die Anforderungen an diese Tour nicht! Sollten Sie den versteckten Zugang zur Hochfläche nicht finden, ist das nicht weiter schlimm. Ernst wird es erst, wenn Sie die Trittspur zurück zu den Jochbachhhütten nicht wieder finden oder die Orientierung auf der weitläufigen und gleichförmigen Hochfläche verlieren. Den Ausmaß der Hochfläche und die damit verbundene Orientierungsaufgabe kann von anderen Gipfeln aus betrachtet schnell unterschätzt werden. Auch das Gelände unterhalb der Hochfläche ist auf Grund von starkem Latschenbewuchs extrem unübersichtlich, doch leiten zum Glück einige sparsame und blasse Markierungspunkte durch den Latschendschungel. Anderenfalls wäre diese Tour auch kaum durchführbar. Die Mitnahme von einer guten Karte (AV-Karte Allgäuer Alpen Ostblatt) in Verbindung mit einem Kompass oder GPS-Gerät ist für den Fall eines Wetterumschwunges wirklich dringend zu empfehlen. Achten Sie also auf stabile Wetterlage (am besten im Herbst).

Ausgangsort ist der kleine Parkplatz am Ortsende von Hinterhornbach kurz vor der Brücke über den Jochbach. Wir überqueren die Brücke und folgen der Asphaltstraße ein Stück den Hang hinauf und wandern dann nach rechts zu den Jochbachhütten. Hier angelangt gehen wir noch ein kleines Stückchen weiter am Jochbach entlang, bis dieser mit einem deutlichen Knick nach Südwesten seinen Verlauf ändert. Genau hier mündet auch der Wildenbach in den Jochbach. Bei meiner Besteigung im Herbst 2001 führte er allerdings kein Wasser und so bin ich an diesen für uns wichtigen Orientierungspunkt vorbeigelaufen. Es folgte eine peinliche, zeit- und kraftraubende Suche nach dem Durchstieg zur Hochfläche. Mit einer besseren Vorbereitung wäre mir diese Situation sicherlich erspart geblieben.

Vor uns liegt eine stark mit Latschen bewachsene Wandstufe (siehe Photoseite), welche rechts vom Wildenbach begrenzt wird. In der Mitte befindet sich ein breiter Latschenteppich mit weiteren Wandstufen dahinter, zu linker Hand bäumt sich die Wandstufe wellenartig auf. Im mittleren Bereich erscheint der Durchstieg am günstigsten. Tatsächlich befindet sich hier eine erdige, gut zu begehende Rinne, von wo aus die bereits erwähnte markierte Trittspur durch das Latschendickicht zur Hochfläche des Großen Wilden führt. Bis zu dieser Rinne muss allerdings weglos aufgestiegen werden. Eine wirklich sichere Wegbeschreibung hierfür kann ich Ihnen leider nicht geben.

Hier ein paar wertvolle Tipps:

Halten Sie sich möglichst rechts. Weiter links gibt es nämlich eine ganz ähnlich beschaffende Rinne, welche im unübersichtlichen Latschengelände endet. Sollten Sie dennoch hier gelandet sein: Mit einiger Aufmerksamkeit trifft man, sich stets rechts haltend, durch Latschendickicht auf die markierte Pfadspur. Ein sicheres Zeichen dafür, dass Sie falsch gegangen sind, ist das Auffinden einer offenbar teilweise Wasser führenden Felseinlagerung im steilen Grashang (ich habe diese Stelle auf dem Foto eingezeichnet, allerdings ohne Gewähr auf Richtigkeit). Sie endet vor der Wandstufe. Man gelangt von hieraus nach rechts querend zur "falschen" Rinne.

Am einfachsten finden Sie die "richtige" Rinne, wenn Sie zunächst bei der Mündung des Wildenbachs in den Jochbach ein Stück dem Bachbett des Wildenbachs folgen und dann weglos auf den mit Fichten bewachsenen steilen Grashang zur Wandstufe emporsteigen. Die Rinne ist im Übrigen deutlich mit einem großen Pfeil markiert.

Wenn Sie die markierte Pfadspur gefunden haben ist der erste knifflige Teil dieser Tour geschafft. Jetzt müssen Sie nur noch aufpassen, dass Sie die spärlich markierte "Steigspur" nicht verlieren. Wenn Sie keine Markierungen mehr entdecken können, gehen Sie ein Stück zurück und suchen Sie von der letzten Markierung aus erneut. Dasselbe gilt selbstverständlich auch in Abstiegsrichtung. Schnell merkt man, dass es die nur 1300 Meter bis zum Gipfel in sich haben. Am Ende verliert sich die Steigspur im Grasgelände. Wir halten uns links und überqueren den Sulzbach.

Dieses traumhafte Plätzchen, inmitten unberührter Natur und absoluter Einsamkeit, lädt zu einer kleinen Rast ein. Noch nie habe ich den Hochvogel aus einem solch beeindruckenden Blickwinkel gesehen. Wären die Tage im Oktober nicht so kurz, wir hätten noch ewig hier verweilen können. Prägen Sie sich den Verlauf des Sulzbaches gut ein! Er bietet beim Abstieg einen guten Orientierungspunkt in dem sonst sehr gleichförmigen Gelände.

Über Grasstufen gelangen wir schließlich auf die Hochfläche des Großen Wilden. Dieser Abschnitt stellt hohe Anforderungen an das weglose Gehen. Prägen Sie sich beim Aufstieg wichtige Geländemerkmale ein! In den welligen Karren und Schrofenstufen bleibt der Schnee besonders lange liegen. Ich kam bei meiner Begehung nicht umhin, hier und da auch mal ein Schneefeld zu überqueren. Auch die Gipfel des Großen Wilden sind nun sichtbar. Wir steuern den Südgipfel an und erreichen diesen ohne klettermäßige Schwierigkeiten (kaum I) über Schrofenstufen. Eine genaue Route lässt sich hierfür nicht angeben und ist auch nicht erforderlich. Das Gelände lässt unterschiedliche Aufstiegsrouten zu. Trotz seiner verhältnismäßig bescheidenen Gipfelhöhe entpuppt sich der Große Wilde als prächtiger Aussichtsberg auf die Allgäuer Gipfel. Im Osten steht majestätisch der Hochvogel. Sehr schön ist auch der Blick nach Süden auf die Hornbachkette, bei der die Urbeleskarspitze mit ihrem markanten, trapezförmigen Gipfeldach besonders hervortritt. Geradezu überwältigend ist jedoch der Anblick der genau gegenüberliegenden Höfats. Mit senkrechten Felswänden stürzen die messerscharfen Gipfelschneiden in das prächtige "Rote Loch". Die vorgelagerte Kleine Höfats scheint den Gipfelaufbau mit einem eleganten Schwung geradezu fortzusetzen. Ein einzigartiger und faszinierender Anblick, der den meisten Bergwanderern wohl in dieser Form vorenthalten bleibt. Im Norden strebt der Rädlergrat hinauf zum Himmelhorn, eine der schwierigsten und auch gefährlichsten Graskletterrouten in den Allgäuer Alpen. Wir nehmen gleich noch den Mittelgipfel in Angriff. Der Übergang dauert nicht lange und ist einfacher, als es auf den Fotos aussieht.

Wer noch Zeit und Lust auf ein wenig Kletterei hat, kann auch noch dem Nordgipfel einen Besuch abstatten. Der Übergang ist allerdings deutlich anspruchsvoller (II) zu bewerten, als die Aufstiege zu Süd- und Mittelgipfel. Außerdem ist der Übergang (zumindest für meine Begriffe) recht luftig. Man steigt zunächst in die Einsattelung ab, bis hierhin ohne Probleme. Dann klettert man über einige brüchige Türmchen zum Nordgipfel hinüber. Der Grat ist gut markiert, so dass eine Gefahr des Verkletterns nicht gegeben ist. Insgesamt bringt der Nordgipfel keine großartigen neuen Einblicke und lohnt sich eigentlich nur für diejenigen, die diese ohnehin abwechslungsreiche Tour mit einer kleinen Klettereinlage noch bereichern wollen. Für den Abstieg kehren wir zum Mittelgipfel zurück und steigen von dort aus in östlicher Richtung wieder ab. Nach der Überquerung des Sulzbaches dürfte auch das Auffinden der Steigspur bei guter Wetterlage keine allzu großen Probleme bereiten. Bei schlechten Sichtverhältnissen dürfte dies allerdings schwierig werden.

Karte

Höhenprofil mit Gehzeiten (ohne Pausen)

Lieber Bergfreund,

bei den auf gipfelsuechtig.de vorgestellten Tourenvorschlägen handelt es sich um außergewöhnlich schöne und spannende Bergfahrten, welche aber mitunter in ihrer Gesamtanforderung als recht anspruchsvoll eingestuft werden müssen. Für eine gefahrlose Nachbegehung sind neben Unternehmungslust und guter Ausrüstung vor allem zwei Dinge von großer Wichtigkeit: Vernunft und alpine Erfahrung. Die jährlich steigende Anzahl teils tödlicher Bergunfälle zeigt, dass viele Bergbegeisterte sich in Ihrem Unternehmungsdrang überschätzen oder dem alpinem Gelände nicht den nötigen Respekt zollen. Besonders erschreckend ist bei näherer Betrachtung, dass es sich hierbei noch nicht einmal immer um besonders anspruchsvolle Touren handelt.

Meine dringende Bitte an Sie ist deshalb: Überprüfen Sie kritisch Ihre Bergerfahrung und lassen Sie bei Auswahl und Durchführung der Touren Vernunft walten. Nicht die schwierigste Tour ist die schönste, sondern jene, welche an Ihre individuelle Bergerfahrung angepasst ist. Es wäre für mich als Autor dieser Seite furchtbar, wenn Ihnen aufgrund meiner Tourenvorschläge etwas zustoßen sollte.

Die Bewertung der Schwierigkeiten auf meiner Seite erfolgt in der Regel sachlich und eher streng, was erfahrenen Gehern die korrekte Einordnung der Anforderungen erleichtern soll. Berücksichtigen Sie bitte, dass sich auch meine leichteren Touren teilweise in alpinerem Gelände mit allen damit verbundenen Risiken bewegen. Eine genauere Einordnung der von mir bei der Tourenbewertung verwendeten Schwierigkeitsskala finden Sie unter "Verschiedenes -> Bewertungen".

Wann immer Sie unsicher sind oder noch Fragen haben: Schreiben Sie mir eine Email oder rufen Sie mich einfach an (siehe Angaben unter "Impressum"). Ich helfe immer gerne weiter! Ich wünsche Ihnen schöne und erfolgreiche Bergtouren.

Boris Stephan (Webmaster gipfelsuechtig.de)

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