Nun, als Geheimtipp kann man den Hochvogel sicherlich nicht bezeichnen und auch die hier vorgestellte Überschreitung ist eine Unternehmung, die als anstrengende Tagestour gerne durchgeführt wird. So mag der mit den Inhalten von gipfelsuechtig vertraute Leser stutzen, wie sich denn ein solch überaus bekannter Aussichtsgipfel auf meine Homepage verirren kann, welche sich doch im wesentlichen den unbekannteren und einsameren Gipfeln im Allgäu widmet. Tatsächlich habe ich den Hochvogel lange Zeit gemieden, las ich doch bereits im Internet, dass der formschöne Gipfel besonders an den Wochenenden oft völlig überlaufen ist. So vergingen fast 4 Jahre meiner Sucht als Allgäuentdecker, bis ich in einer recht spontanen Entscheidung den Gipfel zusammen mit Micha anging.
Ohne Frage gehörte der Hochvogel zu meinen eindrucksvollsten Bergerlebnissen überhaupt. Das liegt zum einen daran, dass der Aufstieg in der Südflanke über den Bäumenheimer Weg wohl zu den landschaftlich schönsten und imposantesten Aufstiegen in den Allgäuer Alpen gezählt werden kann. Während des gesamten Aufstiegs bildet die mächtige Felsmauer der Hornbachkette auf der anderen Seite des Hornbachtals eine eindrucksvolle Kulisse und dem interessierten Bergsteiger bieten sich viele Gelegenheiten, ihre aneinander gereihten Gipfel zu studieren und zu analysieren. Immer wieder eröffnen sich reizvolle Tiefblicke durch wilde Schluchten und Rinnen und im Westen fasziniert die interessant geformte Gipfellandschaft der Krottenspitzgruppe und Wildengruppe. Der Gipfel des Hochvogels gibt aufschlussreiche Aussicht auf die Gipfelvielfalt der Allgäuer Alpen und bei klarer Luft scheint das Panorama nahezu grenzenlos zu sein.
Es gibt jedoch noch einen anderen Grund, warum ich Ihnen diese Tour nicht vorenthalten möchte: Ich bestieg den Hochvogel zusammen mit Micha an einem sonnengesegneten, warmen Novembertag. Die Bergwelt rings um uns hatte sich längst ihr Winterkleid angelegt und so entstanden Aufnahmen, welche wohl nur wenige Wanderer am Hochvogel in ähnlicher Weise zu Gesicht bekommen. Das entstandene 360°-Panorama auf dem menschenleeren Gipfel gehört zu den schönsten Panoramaaufnahmen dieser Seite. Außerdem möchte ich den hochalpin erfahrenen Bergsteiger (und wirklich nur diesen) auf die Möglichkeit einer Hochvogelbesteigung außerhalb der Saison aufmerksam machen. Die Verhältnisse können von Jahr zu Jahr natürlich völlig verschieden sein und ergiebige Schneefälle im September müssen eine Besteigung im November noch lange nicht unmöglich machen. Die Südwand apert an goldenen Oktobertagen recht schnell wieder aus, in den Rinnen bleibt der Schnee jedoch liegen und der Anstieg erfordert dann Trittsicherheit, Konzentration und entsprechende Ausrüstung. Steigeisen und Leichtpickel sollten für eine solche Unternehmung eigentlich zur Grundausrüstung gehören. Ich war lediglich mit Grödeln ausgerüstet, was sich den Verhältnissen entsprechend noch als ausreichend, aber keinesfalls als ideal herausgestellte. Wer in den Rinnen einmal wegrutscht schießt über die nächste Felskante und ist weg. Ohne Micha hätte ich den Aufstieg bei diesen Verhältnissen (zumindest zu diesem Zeitpunkt) nie gewagt und seine Erfahrung (und sein Pickel) waren mir mitunter eine wertvolle Hilfe. Wer immer eine Tour auf den Hochvogel bei solchen Verhältnissen plant, sollte nicht nur ein paar Tage im Voraus, sondern über die Wochen hinweg das Wetter in den Allgäuer Alpen verfolgen. Gab es über einen längeren Zeitraum hinweg keine Schneefälle mehr, dann stehen die Zeichen gut, dass eine Besteigung im Spätherbst gelingen könnte. Bei Einfahrt ins Hornbachtal sollte die Südwand des Hochvogels weitgehend schneefrei erscheinen. Letztendlich ist die Durchführbarkeit einer Besteigung immer auch abhängig von der (hochalpinen) Erfahrung des Bergsteigers.
Bei normalen Verhältnissen würde ich den Anstieg über den Bäumenheimer Weg als eher leicht bewerten, doch sei an dieser Stelle vor Altschnee in den Rinnen ausdrücklich hingewiesen. Besonders im Frühsommer kann es hier zu unliebsamen Überraschungen kommen! Fragen Sie deshalb am besten die Hinterhornbacher nach den momentan vorliegenden Verhältnissen. Die weitaus größte Gefahr geht wohl von Steinschlag aus, welcher vom Grund der Rinnen einmal losgetreten leider fast den kompletten Bäumenheimer Weg herunterprasselt. Besonders wenn viele (unerfahrene) Wanderer am Berg sind, steigt die Gefahr von Steinschlag erheblich an. Ein Helm sollte deshalb für eine Begehung Pflicht sein. Eine Anfängertour ist der Bäumenheimer Weg keinesfalls, erfordert er in den Rinnen doch etwas Trittsicherheit und wegen dem abschüssigen Gelände auch ein gewisses Maß an Schwindelfreiheit. Ausgesetzt ist der Anstieg allerdings nie und die teilweise angebrachten Seilsicherungen stellen wohl eher eine psychische Hilfe für jene Bergsteiger dar, welche hier meiner Meinung nach sowieso (noch) nichts verloren haben. Insgesamt stellt der Bäumenheimer Weg jedoch keine Anforderungen, welche man als geübter Bergwanderer mit etwas Kletterfertigkeit nicht mitbringen würde, sieht man von den zu bewältigenden Höhenmetern einmal ab. Als Klettern kann man die technischen Schwierigkeiten noch nicht bezeichnen, fröhliche Kraxelei ist der treffendere Ausdruck dafür. Durch die häufige Begehung ist der Fels weitgehend frei von ausbrechenden Steinen und auch die wenigen, stets sehr kurzen, steileren Passagen bieten hervorragende Griffe und Tritte (I-). Die Bewertung mit I im AVF erscheint mir, zumindest im Vergleich zu anderen Touren im I-ten Grad, eher mild bewertet. Auf die Problematik, dass UIAA-Definition und Realität mitunter im Widerspruch zueinander stehen, habe ich schon in meiner Legende zu den Tourenbewertungen hingewiesen. Streng nach UIAA-Norm kann der Bäumenheimer Weg durchaus als echter I-er-Kandidat angesehen werden.
Wie so bei vielen Touren parken wir das Auto am besten auf dem kleinen Wanderparkplatz vor der Gufelbrücke in Hinterhornbach und folgen der Asphaltstraße hinauf, bis nach der 2. Kehre die Pension Hornbachstüberl in Sichtweite kommt. Gleich hier, also unmittelbar nach der Kehre, zweigt linker Hand ein undeutlicher Pfad ab, welcher sich nach wenigen Metern stärker ausprägt und bald darauf auf einen breiten Forstweg trifft. Hier nicht nach rechts gehen, sondern dem Forstweg nach links durch eine Kehre folgen, bis nach ca. 70 Höhenmetern am linken Wegrand erneut ein Steig abzweigt, welcher die ausholende Kehre abkürzt und wieder auf den Forstweg trifft. Erneut wandern wir ein Stück nach links bergauf, bis noch einmal ein Steig am rechten Wegerand beginnt. Auf diesem steigen wir, zwei weitere Kehren abkürzend, zur Schwabegghütte empor. Prägen Sie sich beim Aufstieg die Route gut ein, sonst kann es passieren, dass Sie im Abstieg 1km entfernt vom Parkplatz in der Nähe der Kirche herauskommen. Auch hier gibt es aber einen Parkplatz, der als alternativer Ausgangspunkt in Betracht gezogen werden kann. Die Route ist vermutlich auch etwas schlüssiger, als die hier beschriebene Variante, doch erscheint die Beschreibung komplizierter, als die Route in Wirklichkeit ist, da man eigentlich nur immer der Forststraße bergauf folgen muss, bis man auf einen der markierten Steige trifft.
Bereits von hier aus lässt sich erahnen, welch landschaftlicher Genuss der weitere Anstieg verspricht und ein gutes Drittel der Höhenmeter haben wir bereits zurückgelegt. Wir folgen dem Steig durch Kiefern und Latschen weiter bergauf und erreichen nach ca. einer ¾ Stunde einen breiten Grasrücken, von wo aus sich der stufige Fels des Hochvogels erhebt. Nach rechts zweigt der Weg zum Fuchsensattel ab, von wo aus wir nach unserer Überschreitung zurückkommen werden. Steil und zerklüftet ragen östlich des Fuchsensattels die Gipfel der Rosszahngruppe hervor, welche wohl zu den einsamsten Gipfeln der Allgäuer Alpen gerechnet werden können.
Wir folgen den Markierungen nach links, durchqueren die Schotterhalden des Rosskars und erreichen schließlich den Südsporn des Hochvogels. Bei meiner Begehung war hier wegen Schnee von einem Weg nichts mehr zu sehen, allerdings gab es Trittspuren, welche etwas unterhalb des eigentlichen Wegs den Sporn erreichten. Über einige erdige Tritte gelangt man schließlich zum Einstieg in den Bäumenheimer Weg, welcher durch 2 markante Felswände hindurchführt.
Hier beginnt nun der wahre Genussteil der Tour. Über Schrofen und Geröll (bei meiner Besteigung des häufigen schon schneegefüllt) erreichen wir stets etwas rechts der Grathöhe einen aussichtsreichen Absatz mit einem Gedenkkreuz. Von hieraus leitet ein breites Band über Felsabbrüche hinweg in eine breite Rinne hinein, welche oft bis weit in den Sommer hinein mit Schnee gefüllt ist. Die Markierungen leiten nun zunächst in der Rinne, dann auf ihrer östlichen (also rechten) Begrenzungsrippe hinauf, bis man über ein Band zum Ursprung der Geröllschlucht gelangt, wo diese an einem Zweiggrat endet. Bei Schnee nutzt man am unteren Ende der Rinne wohl vorteilhaft eine eventuell vorhandene Kluft an der linken Begrenzungswand aus, quert dann aber bald nach rechts und steigt dann entweder gleich über ganz leichte und feste Schrofen auf die rechten Begrenzungsrippe, oder nutzt bei Steigeisengebrauch möglichst lange die schneegefüllte Rinne aus. Ich war zumindest sehr bestrebt, möglichst schnell wieder festen Fels unter die Finger zu bekommen, die Vorstellung, bei einem Ausgleiten im Schnee mich nirgendwo halten zu können behagte mir gar nicht. Micha fühlte sich mit seinen Steigeisen in der schneegefüllten Rinne offenbar ganz wohl.
Man verfolgt den Zweiggrat wenige Meter bergauf und klettert dann nach links auf ein Geröllband, welches oberhalb der Schlucht entlang leitet. Bei Schnee und Vereisung dürfte dies wohl der unangenehmste Abschnitt sein. Bei trockenen Verhältnissen ist das eher leicht, aber bzgl. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit dürfte auch das als Schlüsselstelle zu werten sein. Das Band führt in die Westseite des Südgrats zu einer weiteren Schuttreiße, an deren oberen Ende Markierungen durch die hintere von zwei Rinnen führen. Bevor man durch diese Rinne geht, gilt es ein kleines Wandstück zu ersteigen. Das ist meiner Meinung nach die einzige Stelle, bei welcher man von leichter I-er-Kletterei sprechen könnte, auch hier sind Griffe und Tritte aber so groß und zuverlässig, dass die Passage zumindest technisch kaum einen geübten Wanderer überfordern dürfte. Der anspruchsvollste Teil ist nun vorbei. In netter Kraxelei geht es nun stets den roten Markierungspunkten folgend zu einer Gerölleinbuchtung, hinter der dann wie aus dem Nichts das gewaltige Gipfelkreuz auftaucht. Wenn auf dem Gipfel Schnee liegt heißt es Obacht geben, da sich zwischen Austritt des Bäumenheimer Wegs und dem Kreuz eine etwa 2 Meter tiefe Kerbe befindet, welche durch Schnee verdeckt sein kann. Hier einzubrechen ist sicherlich weniger angenehm.
Die Aussicht vom Gipfel des Hochvogels erfüllt an klaren Tagen alle Erwartungen. Blickgrenzen laut AVF: Tannheimergruppe, Ammergauer Alpen, Wetterstein, Mieminger, Karwendel, Venediger, Stubaier, Ötztaler, Parseierspitze, Ortler, Riffler, Freispitze, Ferwall, Braunarlspitze, Glarner Alpen, Churfirsten, Säntis. Wir haben das nur teilweise nachvollziehen können, Micha hat nachträglich einen besonders vergletscherten Gipfel als den Ortler identifiziert. Aber ohne Frage sind es auch die umliegenden Allgäuer Gipfel, die den Hochvogel als Aussichtsberg so bekannt gemacht haben.
Für den Abstieg haben wir zunächst 2 Möglichkeiten: Die schnellste, wenn auch nicht besonders kreative Variante ist die Rückkehr nach Hinterhornbach über die Aufstiegsroute. Der Bäumenheimer Weg stellt bei normalen Verhältnissen auch im Abstieg keine sonderlich hohen Anforderungen, wem er jedoch im Aufstieg bereits Schwierigkeiten gemacht hat, der sollte sich die Sache dennoch überlegen. Abwechslungsreicher und leichter ist der Abstieg über den Nordwestrücken zur Kaltwinkelscharte.
Als Nachteil dieser Route gilt, dass man gut 150 zusätzliche Steigmeter mit einplanen muss, was angesichts der Aufstiegsmühen von immerhin knapp 1450 Höhenmetern sicherlich nicht für jeden verlockend ist. Außerdem ist diese Route doch recht stark frequentiert und bei großem Andrang kann es an der Kaltwinkelscharte zu regelrechten Staus kommen, dazu jedoch später. Eine Begehung dieser Route im Spätherbst ist nur bei sicheren Schneeverhältnissen (im Bereich zwischen Kaltwinkelscharte und Fuchsensattel besteht potenzielle Lawinengefahr) und mit entsprechender Ausrüstung (Steigeisen, Leichtpickel) gefahrlos durchführbar. Sie ist bei diesen Verhältnissen sehr anstrengend und zeitraubend, doch tut man auch bei normalen Verhältnissen gut daran, 5 Stunden bis ins Tal einzuplanen.
Vom Hochvogelgipfel geht es einige Meter ein breites und kaum ausgeprägtes Gratstück entlang, bis Markierungen in die von einigen Schrofen durchsetzte, ansonsten von grobem Geröll geprägte Nordwestflanke leiten. Der weitere Abstieg vollzieht sich auf ausgeprägten markierten Serpentinen im Geröll. Der Geröllhang endet an einer wilden, ins Weittal hinabziehenden Rinne, hinter der sich mit senkrechten Wänden die nordwestliche Schulter des Hochvogels aufwirft, welcher der Hochvogel unter anderem sein stolzes Gepräge und letztendlich wohl auch seinen heutigen Namen verdankt. Es ist eine Laune der Natur, dass sich genau auf unserer Höhe ein markantes, teilweise von überhängenden Wänden überdachtes Felsband ("Schnur") gebildet hat, welches die Schulter in ihrer Südwestflanke quert und abermals auf vergleichbares Gelände, wie vor der Schulter trifft. Weiter den Markierungen folgend gelangen wir schließlich über Geröll und Schrofen zur Kaltwinkelscharte.
Der Weg bis hierher ist bei winterlichen Verhältnissen alles andere als bequem. Auch wenn Fels und Geröll hier teilweise schon ausapern, so bilden sich in den Vertiefungen (speziell in jenen, welche durch den Normalweg entstanden sind) gerne vereiste Schneefelder. Es sei deshalb vor der unbedachten Begehung bei solchen Verhältnissen gewarnt. Mit Steigeisen ausgerüstet dürfte die mäßig steile Geröllflanke aber auch bei schlechteren Bedingungen, als sie bei meiner Begehung vorlagen, noch von hochalpin erfahrenen Gehern bewältigt werden können. Da ich (bisher) keine Hochtouren mache, fehlt mir diesbezüglich natürlich auch die Erfahrung, dies zu beurteilen. Auf alle Fälle war ich hier mit Grödeln wirklich nicht mehr gut beraten.
Der Kaltwinkelscharte ist nordöstlich ein knapp 30° geneigtes Schneefeld, der "Kalte Winkel" vorgelagert, welches wegen seiner Schattenlage im Normalfall den ganzen Sommer über besteht, auch wenn es dann meistens auf eine zu querende Länge von ca. 200 bis 300 Metern zusammengeschmolzen ist. In dem sehr heißen Sommer 2004 ist der Kalte Winkel sogar komplett abgetaut, der Beweis dafür ist mein Anfang September aufgenommenes Panorama von der Leilachspitze. Das tut er allerdings nur äußerst selten.
Der Normalaufstieg bzw. Abstieg leitet von der Balkenscharte her kommend über den Kalten Winkel zur Kaltwinkelscharte empor. Dem mit derartigen Gelände wenig vertrauten Geher bietet ein in der Scharte angebrachtes Fixseil die nötige Sicherheit, doch kann dieses speziell in den späten Sommer- und frühen Herbstmonaten, in denen sich das Schneefeld mitunter in eine gewaltige Eisplatte verwandelt, auch dem erfahrenen Geher eine dringend erforderliche Aufstiegshilfe sein. Fehlt bei diesen Verhältnissen das Seil ist der Auf-, bzw. abstieg zur Kaltwinkelscharte nur noch mit Steigeisen von erfahrenen Hochalpinisten gefahrlos zu bewältigen.
Nach Beobachtungen von Micha sind viele Begeher hier mit den auftretenden Schwierigkeiten überfordert und es kommt zu regelrechten Stauungen am Fixseil, was zu erheblichen Wartezeiten führen kann. In diesem Fall, oder wenn die vorherrschenden Verhältnisse im Kalten Winkel ein gefahrloses Steigen nicht zulassen, kann auch eine Überschreitung der steil über der Kaltwinkelscharte sich erheben Kreuzspitze ins Obertal in Erwägung gezogen werden. Sinnvoll ist das hingegen nur, wenn man eine Übernachtung im Prinz-Luitpold-Haus eingeplant hat, da ein erneuter Anstieg hinauf zur Balkenscharte, kombiniert mit den zusätzlich zu bewältigenden Höhenmetern zum Fuchsensattel, die Tageskondition der meisten Bergsteiger übersteigen dürfte. Wer das dennoch machen will, der sei mit einem Blick in die AV-Karte darauf hingewiesen, dass es wohl zweckmäßig ist, in dem nordwestlich der Kreuzspitze eingelagerten Schuttkessel möglichst früh, bei etwa 2100 Höhenmetern, weglos über Geröll zu den in kurzen Kehren zur Balkenscharte empor leitenden Steig hinüberzuqueren. Das spart immerhin 80 Höhenmeter Gegenanstieg ein. Der Weg leitet über eine östliche Rippe des Balkenspitzengrats hinweg und trifft schließlich auf den Normalweg vom Kalten Winkel.
Die Kreuzspitze stellt eigentlich nur eine dem Hochvogel nordwestlich vorgelagerte Erhebung dar, welche aber morphologisch betrachtet die Hochvogelgruppe mit der Wildengruppe verbindet. Auch wer über den Kalten Winkel absteigen möchte kann auf den steilflankigen Gipfel von der Kaltwinkelscharte aus einen Abstecher machen, wobei man für Auf- und Abstieg zusammen (Höhenunterschied ca. 100 Meter) gute 30 Minuten einkalkulieren sollte. Der Weg führt steil und mit nahezu durchgehendem Drahtseil bis unter den Gipfel. 20Hm unter diesem verlässt man den versicherten Steig, der nun stets unterhalb des Grats weiterführt und steigt über kleine Graspolster zum höchsten Punkt mit Steinmann (I). Von dort aus ergibt sich ein schöner Nahblick auf den Hochvogel. Auch die jähen Abbrüche in Richtung Prinz-Luitpold-Haus sind sehr einprägsam. Auf dem Anstiegsweg geht es zurück zur Kaltwinkelscharte, oder im Falle der Überschreitung die 20 Höhenmeter zurück zum Steig, dann jenseits dem Nordgrat entlang auf gesicherter Steiganlage hinab, wobei man zum Schluss nach Westen in den Schuttkessel oberhalb des Obertals absteigt.
Doch nun zurück zu dem von Micha und mir gewählten Rückweg von der Kaltwinkelscharte über den Fuchsensattel nach Hinterhornbach. Zunächst gilt es, mit der jeweils den Verhältnissen angepassten Vorsicht in den Kalten Winkel abzusteigen und diesen dann, gegen Ende auf Geröll, nach Norden zu queren. Hier treffen wir auf den Weg von der Balkenscharte und steigen nun auf Kehren im Geröll in das Trümmerfeld des Salzbodens ab, um dann etwa in der Mitte des Fuchskars wieder Richtung der Nordabstürze des Hochvogels anzusteigen. Zum Schluss leitet der Steig über ein schmales Felsband in der Nordflanke eines Schrofens, von wo aus der Fuchsensattel nach weiteren 50 Höhenmeter Gegenanstieg endlich erreicht ist.
Man kann übrigens auch unterhalb der Kaltwinkelscharte oder auf etwa halber Höhe des Abstiegs zum Salzboden nach einer Trittspur im Geröll Ausschau halten, deren Existenz in meiner AV-Karte zumindest angedeutet ist. Man spart unter Benutzung dieser zumindest einen Teil des Gegenanstiegs aus dem Salzboden zum Fuchsensattel ein.
Was ich hier so salopp beschrieben habe, war bei meiner Begehung der anspruchsvollste und auch mühsamste Abschnitt der Tour, wo mich meine Kräfte auf den letzten Metern fast vollständig verließen. Der Abstieg aus der Kaltwinkelscharte heraus und die Querung des Kalten Winkels verlief auf herrlichem Firnschnee zunächst prima, auch der weitere Abstieg Richtung Salzboden bereitete keine Probleme. Von einem Weg oder Markierung war weit und breit nichts zu sehen, das gesamte Fuchskar glich eher einem einzigen Kalten Winkel riesigen Ausmaßes. Wir querten das Kar schließlich nach einer flacheren Passage nach Norden und stiegen auf eine aus der Schneedecke hervorschauenden Schrofenrippe zu, hinter welcher man zumindest aus der Entfernung den eigentlichen Verlauf des Steigs erahnen konnte. Ich rutschte unter der Schneedecke bei jedem Schritt mit meinen Grödeln weg und als der Schnee unter zunehmender Hangneigung dann stellenweise auch noch vereist war kam es zu einem kleinen Unfall. Ich verlor den Halt und rutschte am Pickelgriff, den mir Micha in Eile zureichte, mit meinen Handschuhen ab. Nach wenigen Metern bremste mich tieferer Schnee wieder ab, doch mein Unterarm war in voller Länge verbrannt und aufgeschürft.
Mit dem Pickel von Micha ging es dann weiter Richtung dem Schrofen vor dem Fuchsensattel und es gab einige Meter auf dem Band, die ich als richtig heikel empfunden habe, denn das ebene Band war natürlich mit abschüssigem, teilweise wieder vereistem Schnee bedeckt. Es ist durchaus denkbar, dass dieses bei noch winterlicheren Verhältnissen endgültig nicht mehr passierbar ist. Eine wesentlich sicherere Ausweichmöglichkeit bietet dann eine tief eingeschnittene Rinne mit senkrechten Begrenzungswänden im Nordostgrat des Hochvogels, welche kurz vor dem Schrofenband den Durchstieg ins Kuhkar auf der Südseite des Hochvogels ermöglicht. Sie wäre auch bei unserer Begehung die eindeutig sichere und auch schnellere Variante gewesen, doch wussten wir schließlich nicht, ob jenseits ein Abstieg möglich ist. Der Abstieg auf der Südseite erfordert auf feinem Geröll und Erdtritten wohl Trittsicherheit, aber keinesfalls Kletterei.
Die gesamte Fuchskarquerung ist jedenfalls bei Schnee mit Vorsicht zu genießen. Wir haben an einigen Stellen nahe der Hochvogelnordflanke Schneeverfestigungen feststellen können, welche eigentlich nur durch abgegangene Lawinen aus der Hochvogelnordwand entstanden sein können. Auch Vereisung kann die Querung zum Fuchsensattel um ein vielfaches erschweren.
Vom Fuchsensattel leitet der Steig in schmalen Serpentinen ein Stück das Geröllfeld Richtung Stützbachtal hinab und quert dann das Kuhkar zu dem breiten Grasrücken hinüber, wo wir auf unseren Aufstiegsweg von Hinterhornbach treffen. Auf diesem, gegen Ende teilweise auf dem Forstweg, kehren wir über die Schwabegghütte zum Parkplatz zurück.
Ein Geheim-Tipp am Rande: Wer beabsichtigt, am Prinz-Luitpold-Haus zu übernachten, dem hätte ich - gute Kondition auch im Anschluss an die Hochvogelüberschreitung vorausgesetzt - einen sehr lohnenden Routenvorschlag für den nächsten Tag mit Rückkehr zum Parkplatz nach Hinterhornbach. Das erste Etappenziel ist der Himmelecksattel südlich des Schnecks (ca. 2h). Von diesem und im weiteren (nicht unwesentlichen) Abstieg zu den jenseits liegenden Wildenfeldhütten (1,5h), bieten sich eindrucksvolle Blicke auf das Himmelhorn und die steil in den Himmel ragenden Höfats auf der anderen Seite des Oytals. Von den Wildenfeldhütten (Wasserversorgung sicherstellen) steigen wir über über einen markierten, insgesamt aber nicht besonders ausgetretenen und mitunter etwas ausgesetzten Steig hinauf in das Hornbachjoch (1,5h). Dieser Abschnitt erfordert einiges an Trittsicherheit und sei nur wirklich geübten Wanderern empfohlen bzw. bei Nässe widerraten. Ab hier schließt sich meine beschriebene Tour "In der nördlichen Krottenspitzgruppe" an. Sollte es irgendwie mit Ihrer konditionellen Verfassung vereinbar sein, so sollten Sie auf jeden Fall den kaum begangenen Abstieg über den Kanzberg zurück nach Hinterhornbach wählen. Grandiose Blicke auf den Hochvogel, Wildengruppe und Hornbachkette bieten einen landschaftlich großartigen Ausklang dieser 2-Tagestour, den vermutlich kaum ein Hochvogelbesteiger kennt. Wer die Schönheit der Allgäuer Alpen kennen lernen will, der liegt mit dieser Tourenkombination goldrichtig. Allerdings muss man sich diese Schönheit mit einem kochenharten, rd. 900 hm umfassenden Abstieg nach Hinterhornbach erkaufen - ein Preis, der es meiner Meinung nach absolut wert ist.
Zum Schluss möchte ich ein herzliches Dankeschön an Micha richten. Er war für mich nicht nur eine psychische und praktische Hilfe während der Tour, sondern stand mir auch bei dieser Tourenbeschreibung mit Rat und Tat zur Seite und steuerte der Photoseite einige schöne Aufnahmen bei. Ohne seine zahlreichen Hinweise und Korrekturen wäre diese Tourenbeschreibung auf den Hochvogel nie so umfassend und detailliert geworden. Ich hoffe, dass mein Versuch, die saisonale und außersaisonale Überschreitung des Hochvogels unter einem Hut zu bekommen, nicht zu sehr verwirrt. |