Auf Ilfenspitzen und Plattenspitzen

Die Besteigung aller 4 Gipfel aus dem Lechtal heraus ist wahrhaftig eine Tagesleistung, die sich nur wirklich gut konditionierte Wanderer zutrauen sollten. Es sind immerhin über 2000 Höhenmeter zu überwinden, wobei ein gutes Drittel davon durch weglose Passagen ziemlich anstrengend ist. Sie können sich diese Tour jedoch ganz nach Ihren konditionellen Vorstellungen zusammenbasteln und schließlich bleibt immer noch die Möglichkeit mit einer Übernachtung auf der Hermann-von-Barth-Hütte diese Tour auf 2 Tage zu verteilen. Klettertechnisch können die Ilfen- und Plattenspitzen noch mit I bewertet werden. Ihre Besteigung erfordert jedoch in den brüchigen Schrofen, Rinnen und Bändern sicheren Tritt sowie etwas Schwindelfreiheit, die Ilfenspitzen zudem etwas Übung bei der Orientierung im weglosen Schrofengelände. Sie sollten deshalb nicht leichtfertig unterschätzt werden. Am einfachsten ist der gesicherte Aufstieg zur östlichen Plattenspitze, wenn der Zugang auch etwas mühsam und der Schlussanstieg ziemlich steil ist.

Erstes Ziel ist die Hermann von Barthhütte, welche wir von Elbigenalp aus über den offiziellen Hüttenanstieg erreichen. In der Ortsmitte von Elbigenalp biegen wir an einer Schnitzfigur (Hinweis: Schnitzschule) nach rechts ab und parken das Auto etwas links haltend auf dem geräumigen Schotterparkplatz. Die Parkplätze weiter oben sind neuerdings für das Freilichttheater reserviert. Wir folgen dem Fahrweg hinter dem Freilichttheater, welcher in einer ausgedehnten S-Kurve an Höhe gewinnt, bis wir zu einer Abzweigung am rechten Fahrwegrand gelangen. An dieser Stelle können wir entweder dem Fahrweg weiterfolgen oder aber besser die in Folge weit ausholende Kehre auf einer unmarkierten Pfadspur abkürzen. Die Pfadspur beginnt beinahe gegenüber der Abzweigung und zieht steil durch den Wald empor und mündet schließlich wieder auf den Forstweg. Wir können nun der Forststraße nach links Richtung Kasermandl folgen oder etwas interessanter die Weiterführung des nun markierten Steigs auf der anderen Seite der Forststraße benutzen. Er trifft nach einigen Minuten erneut auf einen Forstweg, wird aber einige Meter links auf der gegenüberliegenden Forstwegseite fortgesetzt. Weiter oben überquert der Steig erneut einen Traktorweg und endet schließlich an einer Lichtung. Links kommt die alternative Forststraße übers Kasermandl herauf.

Von der Lichtung folgen wir der Forststraße weiter Richtung Hermann von Barth Hütte. Die Abzweigung zur Rotwand lassen wir rechts liegen und folgen dem nun schmalen Steig geradeaus. Er führt zunächst hoch über der östlichen Flanke des Balschtetals entlang und strebt schließlich dem Talgrund zu, wo er an geeigneter Stelle das Tal quert und von nun an auf einem breiten Rücken in vielen Kehren zur schön gelegenen Hütte ansteigt. Je nach Gehtempo muss man bis hier mit 2 1/2 bis 3 1/2 Stunden rechnen.

Hinter der Hermann-von-Barth-Hütte liegt das Wolfebnerkar, das östlich durch die senkrechten Wände der Wolfebnerspitzen, im Norden durch die Plattenspitzen und im Westen durch die Ilfenspitzen begrenzt wird. Wir nehmen die mit "Düsseldorfer Weg" bezeichnete Abzweigung oberhalb der Hütte. Der Weg steuert auf den südlichen Ausläufer der Ilfenspitzen zu, der nach ca. 100 Höhenmeter Anstieg steil über Bänder (gelegentlich Seilsicherungen) ins Birgerkar hinableitet. Unten angekommen heißt es aufgepasst: Benutzen Sie nicht den deutlichen Weg (linke Abzweigung), der nach Westen das Birgerkar quert, sondern folgen Sie dem Weg an der Westseite der Ilfenspitzen ins hintere Birgerkar. Diese Abzweigung ist auch deutlich mit "DW" für "Düsseldorfer Weg" gekennzeichnet, aber ich bin prompt vorbeigelaufen. Wir verlassen diesen Weg erst an der Stelle, an der er deutlich nach Westen zur Marchspitze abbiegt und steigen nach rechts über den weit nach oben reichenden Geröllhang an einen mäßig steilen Schrofenhang heran. Mit einiger Aufmerksamkeit erkennt man hier auch eine undeutliche Pfadspur, auf der das Steigen etwas leichter fällt. Wir durchsteigen den breiten Schrofenhang am besten in unmittelbarer Falllinie und immer die günstigsten Durchstiegsmöglichkeiten nutzend, bis wir zu dem südlichen Ende eines breiten Geröllabsatzes gelangen. Der bis hierher auftretende Schwierigkeitsgrad (I) setzt sich bei der Besteigung der beiden Gipfel fort, allerdings ist der weitere Aufstieg nun wieder durch zwei tief eingeschnittene Rinnen vorgegeben.

Als erstes nehmen wir uns den Nordgipfel vor, dessen Aufstiegsrinne unmittelbar vor uns liegt. Für uns auf den ersten Blick jedoch nicht erkennbar: Rechts hinter einer Felsrippe versteckt befindet sich eine schmale Geröllrinne, welche in mehreren Stufen und guten Griffen zu einem kleinen Absatz leitet, wo sie sich mit dem linken Rinnenast vereinigt. Nehmen Sie sich die Zeit, diese Rinne zu suchen, da der linke Ast um einiges anspruchsvoller zu bewerten ist. Diese Aussage stammt von Maik, der nach ein paar Adrenalinschüben wieder abgestiegen ist und schließlich auch über die rechte Rinne den Absatz gewann. Wir steigen in der nun breiteren Rinne zur Scharte zwischen Nördlicher und Südlicher Ilfenspitze empor und erreichen schließlich über den schwach geneigten Nordwestgrat den Gipfel der Nördlichen Ilfenspitze. Eine phantastische Aussicht belohnt den teilweise etwas mühevollen Aufstieg, der wohl auch dafür verantwortlich ist, dass die Ilfenspitzen nur selten besucht werden. Besonders schön ist der Blick auf den formschönen Gipfel der Marchspitze mit dem dahinter sich anschließenden Gipfelkamm zur Krottenspitze, sowie die Aussicht auf Hochvogel und Wildengruppe. Nach verdienter Pause steigen wir durch die Rinne wieder zum Geröllabsatz ab.

Von hier aus können wir auch noch der Südlichen Ilfenspitze einen Besuch abstatten. Sie bietet zwar keine weiteren Überraschungen und Einblicke, ist aber ebenso lohnend wie ihre nördliche Nachbarin. Dazu queren wir vorsichtig auf einer schwach erkennbaren Trittspur einige Meter nach Süden, bis wir Einblick in eine enge, plattige Rinne erhalten, die rechts von einer stark überhängenden Wand begrenzt wird. In ihr gelangen wir (ähnlich wie bei der Nördlichen Ilfenspitze) zu einer Scharte und folgen von dort aus dem plattigen und gerölligen Rücken hinauf zur Südlichen Ilfenspitze. Der Abstieg ins Birgerkar vollzieht sich exakt auf der Anstiegsroute. Von dort folgen wir dem bekannten Weg zurück zur Hermann-von-Barth-Hütte.

Kurz oberhalb der Hütte können wir uns auch noch die Plattenspitzen vornehmen. Dazu folgen wir den gelben Markierungen (die auch den Zugang zu den Wofebnerspitzen vermitteln) und gelangen über eine Pfadspur unterhalb der steilen Wände der Wolfebnerspitzen zum unteren Ende der Wolfebnerscharte. Sie trennt die Wolfebnerspitzen von den Plattenspitzen. Der Aufstieg zur Scharte in der steilen, feingerölligen Rinne ist nach der doch recht anstrengenden Besteigung der Ilfenspitzen eine wahre Tortur. Bei meiner Besteigung war es dazu noch über 30° heiß und kein Lüftchen bewegte sich. Endlose Minuten habe ich mir die alles entscheidende Frage gestellt: Warum tue ich mir das eigentlich an? Eine befriedigende und einleuchtende Antwort ist mir beim besten Willen nicht eingefallen, aber das war schließlich auch nicht mehr notwendig: Die Scharte war erreicht. Von dort aus geht es in leichter Kletterei, am Schluss seilversichert mit nicht ganz vernachlässigbaren Neigungsprozenten, zum Gipfel der Östlichen Plattenspitze. Ich möchte den Anstieg, auch wenn er seilversichert ist, vorsichtig mit I bewerten und widerspreche hiermit den Bewertungen aus den mir bekannten Führern, in denen ein wenig der Eindruck entsteht, es handele sich bei dem Aufstieg um einfaches Gehgelände. Bei meiner Besteigung ist ein junges Paar kurz nach der Scharte wieder umgekehrt. Dabei haben wir ihnen noch zugesichert, dass (in Anbetracht des doch recht mühseligen Zugangs) keine weiteren Schwierigkeiten auf sie zukommen. Aufgrund des steilen Geländes und durch Vergleich mit anderen Bewertungen halte ich diesen Hinweis für gerechtfertigt, ob nun klettertechnisch begründet oder nicht.

Die Plattenspitzen bieten eine schöne Aussicht auf die östlichen Gipfel der Hornbachkette und auf die Lechtaler Alpen, sowie beeindruckende Nahblicke auf Wolfebnerspitzen und Ilfenspitzen. Der Übergang zur Westlichen Plattenspitze ist anspruchsvoller. Zunächst klettert man über einen steil abfallenden Felsvorsprung einige Meter auf den nach Westen ziehenden Grat hinab (gerade noch I). Wir weichen dem Grat zunächst nach rechts über schmale und Vorsicht gebietender Geröllbänder aus und gelangen zu einem dachförmigen Gratstück, dass luftig überquert wird. Maik und ich haben uns an dieser Stelle dazu entschlossen, unsere Rucksäcke zurückzulassen, da unsere sichtlich ermüdeten Beine nicht mehr die Trittsicherheit boten, die eigentlich für diesen Übergang nötig wäre. Der nun folgende Gratturm wird wieder rechts umgangen und wir erreichen schließlich einen nach rechts leicht überhängenden Felsklotz, der sich frech mitten auf den sowieso schon schmalen Grat platziert hat. Leider müssen wir daran vorbei.

Links herum sieht es ganz übel aus, also rechts herum. Das ganze sieht bestimmt nicht einladend aus, geht aber dann doch besser als zunächst erwartet. Da man nur quert, kann von Klettern nicht wirklich die Rede sein. Doch sowohl Untergrund als auch der Felsklotz selber hinterlassen keinen zuverlässigen Eindruck und der kurze, steile Geröllabsatz unter uns stellt wohl eher nur eine kurze Zwischenlandung dar, sollte der Fels doch mal nicht halten. Ein Ausweichen auf den steilen Geröllabsatz halte ich ebenfalls für keine gute Idee. Nach dem Felsklotz sind es nur noch wenige Höhenmeter zur Westlichen Plattenspitze mit einem riesigen, schon vom Ostgipfel aus sichtbaren Steinmann. Zurück geht es auf der gleichen Route. Hier grüßt auch gleich wieder "Der Stein des Schreckens", der besonders in dieser Richtung dem weniger Abgehärteten einiges an Überwindung kostet (Namensgebung von Maik, wobei er meine Zittertour wohl erschreckender fand als den Felsen selbst). Insgesamt empfand ich diese Stelle als die anspruchsvollste der gesamten Tour. Das kann natürlich auch an meiner körperlichen Erschöpfung gelegen haben. Ich lag zumindest mit meiner Einschätzung, dass die Plattenspitzen eine ganz einfache Zugabe zu den Ilfenspitzen sind, ziemlich daneben. Für einen geübten Geher stellen sie jedoch ein gut zu bewältigendes, lohnendes und wenig besuchtes Gipfelziel dar. Wieder an der Hütte angekommen sind es nur noch 1100 Höhenmeter zurück ins Tal. Viel weiter wäre ich wohl auch nicht mehr gekommen.

Zum Schluss möchte ich noch eine Alternative für weniger Geübte andeuten, welche ich aber nicht in die Bewertung mit aufgenommen habe und hier auch nur andeuten möchte. Wenn man nur die Östliche Plattenspitze besteigen möchte, dann wäre es fast schade, wenn man auf dem gleichen Weg von der Hermann von Barth Hütte wieder nach Elbigenalp absteigt. Viel schöner ist die Benutzung des Enzensperger Höhenwegs durch das Balschtekar hinüber zum Balschtesattel. Hierbei bietet sich noch die Besteigung der Rotwand an. Sie ist ganz ähnlich beschaffen, wie die Kletterei am Gipfelaufbau der Östlichen Plattenspitze: steil, aber mit einem Drahtseil gesichert und durchweg fester Fels (I). Der Abstieg über die Söllerhütten ist landschaftlich sehr reizvoll und viel interessanter als der Hüttenweg, über den wir aufgestiegen sind. Ich denke, dass das etwa 2h Mehraufwand bedeutet, wobei der Höhenweg aber nur zum Balschtesattel noch mal kurz ansteigt, der Rest ist fast eben. Die Rotwand bietet sich an (ca. 80 Höhenmeter zusätzlich), kann aber auch ausgelassen werden.

Karte

Höhenprofil mit Gehzeiten (ohne Pausen)

Lieber Bergfreund,

bei den auf gipfelsuechtig.de vorgestellten Tourenvorschlägen handelt es sich um außergewöhnlich schöne und spannende Bergfahrten, welche aber mitunter in ihrer Gesamtanforderung als recht anspruchsvoll eingestuft werden müssen. Für eine gefahrlose Nachbegehung sind neben Unternehmungslust und guter Ausrüstung vor allem zwei Dinge von großer Wichtigkeit: Vernunft und alpine Erfahrung. Die jährlich steigende Anzahl teils tödlicher Bergunfälle zeigt, dass viele Bergbegeisterte sich in Ihrem Unternehmungsdrang überschätzen oder dem alpinem Gelände nicht den nötigen Respekt zollen. Besonders erschreckend ist bei näherer Betrachtung, dass es sich hierbei noch nicht einmal immer um besonders anspruchsvolle Touren handelt.

Meine dringende Bitte an Sie ist deshalb: Überprüfen Sie kritisch Ihre Bergerfahrung und lassen Sie bei Auswahl und Durchführung der Touren Vernunft walten. Nicht die schwierigste Tour ist die schönste, sondern jene, welche an Ihre individuelle Bergerfahrung angepasst ist. Es wäre für mich als Autor dieser Seite furchtbar, wenn Ihnen aufgrund meiner Tourenvorschläge etwas zustoßen sollte.

Die Bewertung der Schwierigkeiten auf meiner Seite erfolgt in der Regel sachlich und eher streng, was erfahrenen Gehern die korrekte Einordnung der Anforderungen erleichtern soll. Berücksichtigen Sie bitte, dass sich auch meine leichteren Touren teilweise in alpinerem Gelände mit allen damit verbundenen Risiken bewegen. Eine genauere Einordnung der von mir bei der Tourenbewertung verwendeten Schwierigkeitsskala finden Sie unter "Verschiedenes -> Bewertungen".

Wann immer Sie unsicher sind oder noch Fragen haben: Schreiben Sie mir eine Email oder rufen Sie mich einfach an (siehe Angaben unter "Impressum"). Ich helfe immer gerne weiter! Ich wünsche Ihnen schöne und erfolgreiche Bergtouren.

Boris Stephan (Webmaster gipfelsuechtig.de)

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